Sonntag, 17. Februar 2013

Jungsheft

Nachdem ich mir gerade beim allsonntäglichen Abwasch den Soziopod #25 zum Thema Sexismus angehört und dabei auch ein paar durchaus interessante neue Blickwinkel auf die ansonsten mehr als ausgelutschte Debatte erfahren habe, passt es ziemlich gut, dass ich sowieso noch einen kleinen(!) Blogeintrag zum Thema weibliche Pornografie auf der Agenda habe.

Warum sich ein Schwuler für die weibliche Sicht auf Pornografie interessiert?

"Na weils um nackte Jungs geht!", ist wohl die naheliegendste Antwort, greift aber etwas zu kurz.

Die klassische Rollenverteilung sieht vor, dass Männer pausenlos hinter allem her sind, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist, während Frauen Migräne haben. Auch als schwuler Mann habe ich genug Erfahrung mit Frauen um zu wissen, dass an diesen Klisches nicht viel dran sein kann. Aber wie ist es wirklich?

Die Wikipedia zitiert im Artikel "All about Anna" aus dem Stern Nr. 40 vom 27. September 2007: "Auch Frauen gucken gern Menschen beim Sex zu. Was sie nicht mögen, sind endlose Nahaufnahmen von rammelnden Körperteilen ohne Geschichte dahinter. Lars von Trier kapierte das als Erster und produzierte qualitativ hochwertige Frauenpornos.“

Was Lars von Trier nun mit "All About Anna" zutun hat und warum gerade ein Mann gute Frauenpornos machen soll, erschließt sich mir zwar momentan noch nicht (vielleicht sollte ich mir das Stern-Heft mal besorgen?), der Kernaussage kann ich aber durchaus zustimmen: Nicht, dass ich von Pornofilmen große Geschichten erwarte, aber der sehr starre Ablauf und die Kameraführung, auch der meisten Schwulenpornos, halte ich für durchaus diskussionswürdig. Aber das ist ein anderes Thema.

(Über Filmprojekte wie "F*cking Different", in denen lesbische Frauen Schwulenpornos drehen und sich Schwule an Lesbenpornos versuchen, und ob die Ergebnisse dadurch besser werden, vermag ich momentan nichts zu sagen, da ich den Film noch nicht gesehen habe.)

Der öffentlich-rechtliche Digitalsender DRadio Wissen hatte im März 2012 eine Talkrunde über Pornografie. Dort war auch Nicole Rüdiger zu Gast, eine der beiden Herausgeberinnen des "Jungsheft", einem "Pornoheft für Mädchen".

Ich habe mir aus Neugier zwei Exemplare bestellt. Die Heftchen haben vom Format und Layout ein wenig was von einer Schülerzeitung, man erkennt sofort, dass es sich mehr um ein Hobbyprojekt als um ein kommerzielles Hochglanzmagazin handelt. Innendrin gibt es Fotos von nackten Männern, erotische Kurzgeschichten, Interviews und Aufklärungstexte wie das "Sex ABC" und Artikel zu sexuell übertragbaren Krankheiten. Ein Heft kostet normalerweise 6 Euro, ältere Ausgaben gibt es z.T. auch etwas günstiger.

Die Jungs, die sich für die Fotostrecken nackig machen, tun dies alleine für den Ruhm, eine finanzielle Vergütung gibt es nicht. Dementsprechend sind es auch eher die "Jungs von Nebenan", also relativ "normale" Jungs, was keineswegs ein negativ ist. Trotzdem merkt man dem Magazin an, dass es sicherlich nicht ganz einfach ist, entsprechende Männer zu finden, welche sich im Magazin abdrucken lassen wollen: Bei den Bilderstrecken stehen zwar Informationen zu Name und Beruf des Models, das Alter wird lieber weggelassen.

Die Druckqualität ist ansich durchaus ordentlich, die Bilder sind aber für meinen Geschmack zum Teil zu dunkel. Vielen Bildern sieht man an, dass kein professioneller Fotograf an Werke war.

Die Stärke des Jungsheftes liegt eindeutig in den Textbeiträgen, wobei die Spannbreite hier recht groß ist. Einige Artikel erinnern ein wenig an Bravo und Dr. Sommer, während es bei "I fisted a girl"(Heft #9) schon ans lesbische eingemachte geht. Inkl. Farbfoto.

"Kauf mich - Nackte Männer in der Werbung" (Heft #7) ist dagegen durchaus anspruchsvollere Literatur.

Fazit:
Das Jungsheft hat seinen eigenen Charme durch die Jungs von Nebenan, allerdings lassen sich einige nur mit viel Wohlwollen noch als "Jungs" bezeichnen. Ob das Heft damit für junge (erwachsene) Mädchen interessant ist, weiß ich nicht. Ich honoriere aber den Versuch, im Internetzeitalter noch ein Printheft im Selbstverlag herauszubringen, das ist mit Sicherheit nicht einfach.

Das Wesen der weiblichen Sexualität kann selbstverständlich auch dieser Blogeintrag nicht endgültig klären, aber nach der Lektüre der beiden Hefte fühle ich mich in meiner schon vorher durch Gespräche mit Mädels geprägten Meinung bestätigt, dass sich Frauen und Männer gar nicht so sehr unterscheiden, wie manche Männer denken und dass es auf manchem Frauenabend mächtig zur Sache geht. Hamburger Kiez-Queen Olivia Jones hat das schon vor Jahren erkannt und führt eine Menstrip-Bar nur für Frauen auf der Reeperbahn.

Na dann rann, Mädelz!

Sonntag, 3. Februar 2013

Gedanken zum Dschungelcamp

Die RTL-Show „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“ ging die letzten Wochen durch sämtliche Medien und polarisiert die Menschen wie kaum eine andere Fernsehsendung. Ich finde das Thema ausgesprochen faszinierend, weil es auf gleich mehrfache Weise einen guten Einblick in das Wesen der deutschen Bevölkerung (wenn nicht gar der Menschheit, denn die Show ist keine deutsche Erfindung) gibt. Vorallem schreibe ich diesen Post, weil mir die Heuchelei auf den Keks geht, mit der vielfach über das Dschungelcamp hergezogen wird.

Ich betrachte mich selbst nicht als Hardcore-Fan, auch wenn ich die letzten Staffeln immer wieder gerne eingeschaltet habe, mal mit mehr, mal mit minder großer Begeisterung.

Das diesjährige Dschungelcamp (Januar 2013) fing meiner Meinung nach sehr gut an, stagnierte dann auf hohem Niveau, bis ungefähr ab Mitte der Staffel ein wenig die Luft raus war.

Ich versuche mal zu beschreiben, weshalb ich mir die aktuelle Staffel angeschaut habe:
  1. Joey Heindle und Patrick Nuo sind einfach süß und nett anzuschauen. Dies ist sicherlich ein sehr profaner Grund und Wasser auf die Mühlen der Kritiker, die sowieso jedem Zuschauer des Dschungelcamps niedere Beweggründe unterstellen. Ja, ich stehe dazu: Ich mag süße Jungs, besonders wenn sie auch gelegentlich in Shorts durchs Bild laufen. :-)
  2. Olivia Jones. Ich mag ihren trockenen Humor und die Art, wie sie - einer dritten Moderatorin gleich - das Geschehen im Camp noch mal aus einer anderen Perspektive kommentierte. Olivia ist auch der einzige Camp-Bewohner, dem ich abnehme, dass er/sie nicht im Camp ist, weil er das Geld und die Sendezeit bitter nötig hat, sondern eine gewisse Neugier am "Projekt Dschungelcamp" mitbringt. Sie hat das Konzept verstanden. Top!
  3. Der bissige Humor und die selbstkritische, selbstironische Mediensatire. Dazu später mehr.
  4. Die Ehrlichkeit des Formats, das keinen Hehl daraus macht, dass die meisten „Prominenten“ in Wahrheit schon lange keine mehr sind bzw. nie welche waren. Wenn man manche Fratzen ständig und in allen Medien immer als die Top-Promis des Jahres verkauft bekommt, ist es durchaus erfrischend, wenn das Dschungelcamp einige von ihnen wieder auf den harten Boden der Realität holt. Das mag gemein klingen, ich möchte es aber lieber als intellektuelle Notwehr des Zuschauers bezeichnen. Die Moderatoren sprechen aus, was viele Zuschauer ohnehin denken.
  5. Der soziologische Aspekt: Nicht nur das Camp selbst ist ein Lehrstück für gruppendynamische Prozesse, auch die ganze Fan- und Hater-Szenerie drumherum ist faszinierend. Wer die Volksseele studieren möchte wird z.B. im Dschungelcamp Radio fündig.
    Wenn man in den Moderationstexten des Camps ein wenig zwischen den Zeilen liest, kann man auch durchaus zu dem Schluss kommen, dass die schon fast Gemeinsamkeiten mit dem Gore- und Splatter-Kino aufweisenden übertriebenen Mengen an Ekelgetier in manchen Dschungelprüfungen vorallem dazu dienen, den Beißreflex einiger Kritikergruppen auszulösen. Manche Kritiker scheinen da auch voll und ganz drauf einzusteigen und gar nicht zu merken, dass es vorallem sie und weniger die Kandidaten sind, die von der Sendung vorgeführt werden. Provokation war schon immer ein wichtiges Stilmittel der Kunst.

Zu den Punkten 1 und 2 muss ich denke ich nicht allzu viel sagen.

Mediale Selbstironie

Zum Rest möchte ich dagegen etwas ausholen:

Kennzeichnend für das Dschungelcamp ist, dass es ungeheuer vielschichtig ist:
  • Auf unterster Ebene stehen die diversen Ekelprüfungen und der Voyeurismus, wenn sich Leute Insekten einverleiben müssen oder der ganz normale Alltags-Zickenkrieg tobt. Viele Kritiker, die das Dschungelcamp nie gesehen haben, beißen sich an dieser Schicht fest und schimpfen auf die angebliche Menschenverachtung, die sie darin zu erkennen glauben.
  • Eine Stufe darüber liegt die normale Comedy-Ebene mit mehr oder weniger guten Witzen über die Promis und das aktuelle Camp-Geschehen. Die versteht eigentlich jeder.
  • Wieder eine Stufe höher stehen die Anspielungen auf tagesaktuelle Ereignisse, z.B. aus der Politik. Um diese zu verstehen, muss man schon regelmäßig Zeitung lesen und Nachrichtensendungen gucken.
  • Auf der obersten Ebene stehen Anspielungen auf das Mediengeschäft als solches und das RTL-Programm im Besonderen. Manche Anspielungen sind sehr direkt, bei anderen muss man sehr genau hinschauen/-hören (z.B. wenn wie in der Auftaktfolge eine Belanglosigkeit passiert, sofort dramatische Musik einsetzt wie dies z.B. bei DSDS und Supertalent Usus ist,  die Musik aber nach wenigen Takten wieder abgewürgt wird). Manche Anspielungen sind auch nur für Brancheninsider verständlich. Ich zähle mich nicht dazu, auch wenn ich mehr oder weniger regelmäßig Webseiten mit Nachrichten aus der Medienbranche lese und hier und da eine Vermutung habe, in welche Richtung ein Seitenhieb zielt.

Diese Vielschichtigkeit ist ein Vorteil, denn es ist für jedes Gemüt was dabei, was auch erklären dürfte, weshalb die Einschaltquoten auf einem Niveau liegen, das sonst nur von Fußballübertragungen erreicht wird. Sie ist aber auch von Nachteil, denn die vielen Schichten machen eine Analyse des Formats nicht übersichtlicher und man weiß nie so genau, was nun eigentlich vom Autor beabsichtigt war, was unfreiwillige Komik ist und was man als Zuschauer einfach nur hineininterpretiert.

Der TV-Magazin Quotenmeter hatte im Artikel "Dschungel 2013: Sonja und Daniel gegen den Rest der Welt" einige Kostproben aus der diesjährigen Staffel gesammelt, der Artikel scheint aber inzwischen leider nicht mehr online verfügbar zu sein. Ich verweise daher statt dessen auf die Quotenmeter-TV-Podcast-Folge zum Thema.

Häufige Kritik

Das erste, was Kritikern des Dschungelcamps einfällt, ist die oben bereits angedeutete Menschenverachtung in der Sendung: Menschen werden vom Publikum begafft, müssen allerlei Getier essen und so weiter und so fort.

Manche Vorwürfe sind sicherlich durchaus berechtigt, z.B. der Umgang mit Säugetieren wie Ratten und größeren Reptilien. Ob nun ein Regenwurm schlechter dran ist, wenn er von einem Z-Promi lebendig gegessen wird als ein Wurm, der auf auf einen Angelhaken gespießt einen langen Todeskampf unter Wasser führt, sei mal dahingestellt. Wenn die selben Kritiker, die gegen das Leiden der Regenwürmer im Dschungelcamp kämpfen, mit der selben Energie auch gegen die äußerst brutale Kastration von Ferkeln in Schlachtbetrieben auf die Straße gehen würden, wäre diese Welt vielleicht ein besserer Ort. Aber so wird doch oft mit zweierlei Maß gemessen und man sollte meiner Ansicht nach die Kirche im Dorf lassen.

Neid ist ein wichtiges Gefühl im menschlichen Zusammenleben. Es scheint weniger darauf anzukommen, wie viel (wenig) ein Mensch konkret verdient, solange es ihm nur besser geht als seinen Nachbarn.

Manche Leute erbaut es, wenn sie andere Leute im Dschungelcamp leiden sehen; andere bauen sich daran auf, sich intellektuell hochwertiger zu fühlen als all die "Unterschichtenfernsehgucker", welche Sachen wie das Dschungelcamp gucken. Das Prinzip ist das selbe und man muss - wie man sieht - gar nicht selbst das Dschungelcamp gucken, um sich dadurch besser zu fühlen.

Ich mag am Dschungelcamp, dass es die Menschen demaskiert. Nicht nur die Prominenten, auch die Zuschauer und Kritiker. Soziologisch durchaus spannend.

Aber zurück zur Menschenverachtung: Bevor die Menschenwürde beweint wird, möchte ich folgendes zu bedenken geben:
  • Alle Teilnehmer tun dies freiweillig und (von wenigen Ausnahmen abgesehen) sind alle medienerfahrene Leute. Während Kandidaten in manch anderen Sendungen wirklich nicht zu wissen scheinen, worauf sie sich einlassen, kann sich beim Dschungelcamp keiner damit rausreden. Die Sendung ging dieses Jahr in die 9. Staffel und durch den penetranten Medienhype um die Sendung kann nun wirklich keiner sagen, er wisse nicht worum es darin geht und wie Fernsehen funktioniert.
     
  • Alle Teilnehmer erhalten eine Gage von mehreren zehntausend Euro. Das sind Beträge, die manche normalarbeitende Beschäftigte nicht mal im Jahr verdienen, da kann man in den zwei Wochen Dschungelcamp wohl auch ein wenig was erwarten.
     
  • Manche Dschungelprüfungen mögen spektakulär und gefährlich aussehen, man kann aber davon ausgehen, dass die Macher der Sendung keine Risiken eingehen und nichts dem Zufall überlassen. Das Risiko, in der Sendung ernsthaft zu schaden zu kommen, dürfte somit ziemlich gering sein. Vergleiche mit den römischen Spielen im Kolosseum sind da eher unzutreffend.
     
  • Viele der „Ekelgerichte“ wie die Tausendjährigen Eier aus der Finalshow und die üblichen Insekten-Gerichte gehören in anderen Ländern zum normalen Speiseplan oder gelten gar als Delikatesse und Kulturgut (in China stehen sogar noch ganz andere Dinge auf der Speisekarte). Selbstverständlich gehört einiges an sozialkultureller Überwindung dazu, ein entsprechendes Essen zu verzehren und ich würde es auch nicht machen wollen, aber ich finde auch Käse und Fisch ziemlich ekelig, obwohl die Mehrheit der Deutschen damit kein Problem hat. Wer nun in Bezug auf die Ekelessen die Menschenwürde auspackt, möge sich zunächst mal Gedanken machen, mit welcher Arroganz er damit den Kulturen gegenübertritt, die z.B. regelmäßig Insekten essen. Es gibt sogar Wissenschaftler, welche in Insekten eine Lösung für die Nahrungsmittelknappheit auf der Erde sehen, denn Insekten sind gesund und relativ einfach zu halten und zu züchten.
Ich habe mal versucht herauszufinden, wieviel Geld RTL mit einer Dschungelcamp-Folge macht. Nachdem was sich im Internet so findet (z.B. hier), scheint RTL mit jeder Folge rund eine halbe Millionen Euro Verlust zu machen. Das erscheint mir plausibel, da die erste Werbung in der Auftaktfolge der letzten Staffel, wenn ich mich korrekt erinnere, erst weit nach einer Stunde Laufzeit gesendet wurde. Das Dschungelcamp ist damit eher ein Prestige-Projekt und nicht das schnelle Geld, wie von einigen Seiten immer wieder unterstellt wird.

Sehr schön ist auch das Interview mit Moderationstext-Schreiber Jens Oliver Haas im Blog von Stefan Niggemeier mit einigen Hintergrundinformationen.

Fazit

Ich halte das Dschungelcamp durchaus für Qualitätsfernsehen und auch die Wissenschaft hat es inzwischen als Forschungsobjekt für sich entdeckt.

Bevor der Blogartikel zu sehr nach Lobeshymne klingt, möchte ich allerdings auch dazu sagen: Das Dschungelcamp ist und bleibt primär eine lockere Unterhaltungssendung und ist kein journalistisches Dokumentarformat. Es ist weder der Untergang des Abendlandes noch der Weisheit letzter Schluss des Unterhaltungsfernsehens. Wie in jeder Serie gibt es stärkere und schwächere Folgen und einige Episoden der letzten Staffel fand auch ich ziemlich langweilig und habe vorgespult.

Ob das Camp wirklich den Grimme-Preis erhält, für den es nominiert ist, werden wir wohl erst bei der Preisverleihung erfahren. Die Konkurrenz ist hart und ich persönlich würde den Preis auch lieber bei Roche & Böhmermann sehen.
 
Unstrittig ist aber, dass das Dschungelcamp polarisiert und ich bin sicher, dass dies nicht nur von den Machern so gewollt, sondern auch elementarer Teil des Erfolgsrezeptes ist.