Montag, 14. Januar 2008

Verständnisprobleme

In Chaträumen tritt man mitunter sehr interessante, manchmal aber auch sehr merkwürdige Leute. Und manchmal auch alle möglichen Kombinationen und Facetten dazwischen.

Vor ein paar Tagen habe ich mit jemandem gechattet, der ein Problem mit seinem Computer hatte. Wir haben uns dann noch über das PC-Problem hinaus unterhalten und da er mir seinen Namen (eigentlich ein ganz normaler deutscher Name) zunächst mit hebräischischen Zeichen schrieb, kamen wir auch schnell auf das Thema Interessen und Religion.

Er konvertiert gerade zum Judentum und lernt Hebräisch um selbst in der Tora lesen zu können. Dieser Prozess wird als Gijur bezeichnet und läuft in drei Schritten ab, von denen einer die rituelle Beschneidung (Brit Mila) ist.

Wie von der christlichen Religion gibt es natürlich auch von der jüdischen Religion viele Ausprägungen und sowohl liberalere als auch weniger liberalere Gemeinden.

Warum er sich als Bisexueller ausgerechnet für eine sehr konservative Gemeinde entschieden hat, die Homosexualität verpönt, bleibt mir jedoch ein Rätsel.

Kann ich die Beschneidung aus historischer Sicht (damalige Hygieneverhältnisse) noch halbwegs nachvollziehen (auch wenn ich die Beschneidung von Kindern aus nicht-medizinischen Gründen strikt ablehne; eine derart schwerwiegende Entscheidung sollte jeder für sich treffen dürfen!), schockiert mich die Praxis in seiner Gemeinde. Da er bereits vorher aus medizinischen Gründen beschnitten wurde, muss ihm stellvertretend für die rituelle Beschneidung ein Tropfen Blut aus seiner Eichel entnommen werden. Mal ganz davon abgesehen, dass ein Rabbi sein Geschlechtsteil vorher genau in Augenschein nimmt und er sich bei der Zeremonie in Anwesenheit der Verwandschaft komplett nackt einer rituellen Waschung unterziehen muss.

Um es noch mal klar zu sagen: Diese Bräuche gelten nicht für die jüdische Religion als Gesamtheit, vielmehr scheint es sich hierbei um einen kleinen orthodoxen Zweig zu handeln, der keinesfalls repräsentativ ist.

Ich habe mich bemüht zu verstehen, was einen erwachsenen Mann dazu bringt, sich derartiger Rituale zu unterziehen, aber leider ist er den Fragen nach seiner Motivation immer ausgewichen und meinte zum Schluss, er müsse sich nicht dafür rechtfertigen. Mittlerweile existiert auch sein Chatprofil nicht mehr.

Diese Frage beschäftigt mich jetzt schon ein paar Tage, aber irgendwie bleibt dieser Schritt aus meiner Perspektive schwer nachvollziehbar. So kann ich nur hoffen, dass besagter Chatter gute Gründe für sein Tun hat und ihm alles Gute wünschen.

Wenn sich mal die Gelegenheit bietet, sollte ich wohl selbst mal einen Rabbi fragen, wie sich das genau verhält.

Nun muss ich aber erstmal wieder ins Bett... in wenigen Stunden klingelt der Wecker und mein Urlaub ist vorbei. :-(

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