Samstag, 3. Mai 2008

Christival

Heute ist mal wieder Backup-Tag und während ich diese Zeilen schreibe, sichert der PC die wichtigsten Daten auf eine externe Festplatte. Langsam geht mir mir der Speicherplatz aus, mit einer modernen Digicam bekommt man an einem Tag schnell ein paar Gigabyte zusammen. Und in den letzten Wochen habe ich ziemlich viel fotografiert.

Gestern war wieder so ein Fototag. Eigentlich wollte ich Fotos im Bremerhavener Zoo am Meer machen, aber da hat mir das Wetter entgegen dem Wetterbericht einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht. So habe ich mit einem Bekannten das U-Boot "Wilhelm Bauer" besucht, aufgrund des Sauwetters aber keine Außenaufnahmen gemacht.

Ich habe die Bilder noch nicht durchgeguckt, das mag ich dem Rechner gerade nicht noch zusätzlich zumuten. Vielleicht gibt es dazu auch noch eine öffentliche Galerie im Webalbum, aber ich weiß noch nicht genau, ob ich die Bilder veröffentlichen darf. Die ältere Dame an der Kasse meinte zwar, dass wäre alles kein Problem, ich bin aber nicht so ganz sicher, ob sie weiß, was das Internet überhaupt ist...

Vor der Abfahrt nach Bremerhaven hatte ich noch Gelegenheit, kurz am Bauzaun des Christivals entlang zu schlendern. Wären die Tickets günstiger, hätte ich auch mal reingeschaut.

Wäre nicht alles voller Schilder, könnte man das Christival auch mit einem Sportfest verwechseln. Es gibt eine große Showbühne (Bilder vom Aufbau folgen noch im Webalbum), viele Zelte und jede Menge Sportaktivitäten wie einen Sandkasten mit Beachvolleyballfeld, mehrere Fußballkäfige, Kletterwände sowie eine Aktion, bei der man Bierkisten stapeln und an dem Turm hochklettern kann. (Ab einer gewissen Höhe bekommt man die neuen Kisten per Kran angereicht.)

Was in den Zelten passiert, konnte ich leider nicht sehen.

Das Konzept geht auf, die ganze City ist mit Christival-Besuchern überschwemmt. Offenbar bietet der "Kongress junger Christen" (so die Bezeichnung auf der Anzeigetafel der Messehalle) den jungen Menschen genau das, was sie sich am sehnlichsten Wünschen: Abenteuer, Sport, einfache Regeln um das Leben zu meistern und vorallem ein unheimlich intensives Gemeinschaftsgefühl. Letzteres durfte ich gestern Abend bei meiner Rückkehr aus Bremerhaven in der Straßenbahn erleben: Die Bahn war voll und es kamen immer mehr Festivalbesucher, die mit der Bahn zu ihren Unterbringungen in diversen Schulen fahren wollten. Als die Bahn schließlich losfuhr, konnte niemand mehr umfallen und ich war zwischen mehreren süßen Typen eingeklemmt. (Ich gebe zu, da gibt es schlimmere Schicksale... ;-))

In dieser Kuschelatmosphäre, in der engerer Körperkontakt kaum zu vermeiden ist, fingen sie dann an, christliche Lieder zu singen. Das ist jetzt nicht respektlos gemeint, aber ich fand's irgendwie total drollig.

An einer Haltestelle rief dann jemand, sie müssten hier raus und ich musste meine angenehme Zwangslage aufgeben, bevor ich das Namensschild des süßesten aus der Gruppe lesen konnte.

Draussen fiel dann jemand auf, dass sie ja doch noch eine Station weiter müssten, somit hieß es Kommando zurück und alle wieder rein.

Mein Bekannter aus Bremerhaven konnte es nicht nachvollziehen, aber ich finde das Phänomen Christival irgendwie extrem faszinierend, aber auch sehr ambivalent. Einerseits beneide ich die Teilnehmer ein wenig um dieses Gruppengefühl, andererseits erinnert mich das Christival aber auch an Die Welle und an evangelikale Veranstaltungen, bei denen die Teilnehmer auch sehr stark in ihrer Meinung beeinflusst werden. Die ARD hat dazu vor ein paar Jahren eine Reportage mit dem Titel "Jesus junge Garde" gemacht, die sich inzwischen auch bei YouTube findet. Wenn Menschen immer die gleichen Inhalte in Mikrofone schreien und die eingeschworene Menge wie in Trance mitjubelt, läuten bei mir immer die Alarmglocken.

Vielleicht hätte ich mir gestern in der Straßenbahn einen der Jungs schnappen und ihn ein wenig ausquetschen sollen. Warum ist er dabei, welche Rolle spielt die Religion in seinem Leben, wie wörtlich nimmt er die Bibel und andere Glaubensinhalte?

Mein größtes Problem ist nach wie vor, dass ich nicht weiß, wie ich das Christival einordnen soll. Wird da nur ein wenig Volleyball gespielt und geredet, oder gibt es dort auch eine Kaderschmiede? Als Außenstehender kann man das kaum beurteilen. Die Insider werden letzteres sicher verneinen, aber besitzen sie auch die kritische Distanz, um dies beurteilen zu können?

Vielleicht kann man das nächste Christival ja etwas offener gestalten, so dass auch Außenstehende die Möglichkeit haben, mit einem kostengünstigen Schnupperticket ein wenig Einblick zu nehmen. Das würde sicher einige Vorurteile abbauen helfen.

Ich habe mal bei flickr nach Bildern vom Christival gesucht, aus Bremen sind aber erwartungsgemäß noch keine Bilder dabei. Die werden wohl erst nächste Woche kommen, wenn die Teilnehmer wieder zu Hause sind...

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Lars,

vielen Dank für deine Kommentare auf meiner Page. Ich habe mich sehr über die Sachlichkeit gefreut, das findet man bei Christival - Gegnern leider selten.

Natürlich hast du Recht, wenn du sagst, dass Kritik berechtigt ist. Was mich an dieser Sache traurig stimmt: Das Christival wird - so meine Empfindung - von vielen Leuten auf ein paar wenige Punkte reduziert. Die große Bandbreite der Themen wird scheinbar nicht gesehen. Dazu kommt beim "Lieblingsthema" Homosexualität die Intention des Seminars falsch verstanden wurde. Es sollte ein Angebot geschaffen werden, Menschen seelsorgerliche Hilfe anzubieten, die unter ihren Empfindungen leiden. Natürlich trifft die OJC hier wirklich steile Aussagen - ich glaube dennoch, dass das Seminar ergebnisoffen abgehalten worden wäre.
Wie auch immer - der zweite mich traurig stimmende Punkt trat ein: Die Pauschalisierung. Auf einmal gilt das Christival und all seine Teilnehmer als Homophob. Letztlich hat dich das doch auch auf meine Website getrieben. Tatsächlich hat hier aber jeder seine eigene Meinung zum Thema Homosexualität - wobei es mir als Angestellter nicht zusteht meine Meinung hierzu öffentlich kund zu tun. Ich hoffe du verstehst das.

Generell finde ich es gut, dass das Thema diskutiert wird, allerdings scheint mir ein wenig viel Emotion auf beiden Seiten im Spiel. Und dass linke Autonome diese Diskussion als Sprungbrett für ihren Vandalismus nutzen, darf aber natürlich auch nicht sein.

In diesem Sinne,
Gute Nacht ;-)

pcxHB hat gesagt…

Hallo Michael!

Ich sehe mich eigentlich nicht als Christival-Gegner, mir fehlen einfach die Informationen, um mich für oder gegen eine Seite entscheiden zu können.

Das Thema Homosexualität ist für mich besonders interessant weil es mich direkt betrifft. Und wie den meisten Menschen fällt es mir auch schwer, eine Instiution zu akzeptieren, die mich und meine Lebensweise ablehnt. Wie die Stimmung auf dem Christival diesbezüglich ist, vermag ich nicht zu beurteilen und Du hast sicher Recht, dass jeder Mensch dazu auch seine eigene Meinung hat.

Auch die Intention des fraglichen Seminars vermag ich nicht zu beurteilen, ziemlich sicher bin ich mir jedoch (nicht zuletzt auch durch Deinen Blogeintrag), dass das Seminar sein Anliegen zumindest sehr ungeschickt kommuniziert hat.

In der Pressemitteilung in Deinem Eintrag heißt es wörtlich: "Wir setzen uns dafür ein, dass Menschen, die ihre homosexuellen Impulse als unvereinbar mit ihren Wünschen, Überzeugungen und Lebenszielen erfahren, selbstbestimmte Wege gehen können, die zu einer Abnahme homosexueller Empfindungen führen."

Die moderne Sexualforschung ist sich ziemlich sicher, dass sich die sexuelle Orientierung nicht willentlich beeinflussen lässt. Das Versprechen, die schwulen Neigungen reduzieren zu können, kann somit (von wenigen Ausnahmen abgesehen) nicht gehalten werden.

Die Praxis gibt der Theorie recht, Stichwort Ex-Ex-Gay-Bewegung.

Die Selbstmordrate schwuler und lesbischer Jugendlicher ist um ein vielfaches höher als bei gleichaltrigen Heteros. (Ich meine in einer Studie etwas von Faktor 4 gelesen zu haben.)
Ein solcher Jugendlicher braucht vor allem eins: Halt und das Gefühl, dass er sich für seine Identität nicht schämen muss, sondern so akzeptiert wird wie er ist.
Wird ihm statt dessen eingeredet, dass seine Sexualität "falsch" und eine "Sünde" ist, so macht das seine Situation nur noch schlimmer und erscheint ihm erst recht ausweglos.

Die Lösung kann also nicht sein, die Homosexualität zu unterdrücken, sondern es gilt Wege aufzuzeigen, dass Sexualität und Glaube keine Widersprüche sein müssen.

Wäre die Organsisation "Zwischenraum" auch eingeladen worden, hätte sich das Christival sicher einen großen Teil der schlechten Presse ersparen können.

Und vielleicht hättet ihr dann auch den Schlachthof als Location behalten, dort finden nämlich auch regelmäßig schwule Parties statt, somit wird man dort sicher auch genau gucken, wie sich eine Veranstaltung nach außen hin präsentiert. (Wobei das jetzt Spekulation ist, ich war in der Entscheidung weder involviert noch habe ich engere Kontakte zum Schlachthof.)

Ich weiß aber wirklich nicht, wie eine Umfrage auf dem Christival ausfallen würde. Die meisten Kommentare, die ich in christlichen Blogs und Foren bisher gelesen habe, waren eher negativ. Schwule haben dort zumindest keine Lobby.

Auch was die Gewalt angeht, kann ich Dir zustimmen. Gewalt hat in solchen Diskussionen nichts verloren. Allerdings sind die meisten Demonstranten mit Sicherheit friedlich und auch hier sollte man nicht pauschalisieren und von ein paar Chaoten auf die große Masse schließen.

Anonym hat gesagt…

Ist der Sinn der friedlichen Gemeinschaft nicht der, sich gegenseitig so zu akzeptieren, wie man ist?
Ob nun politisch links, rechts oder mitte / vegetarisch, vergan oder allesessend / hetero-, homo-, anti- oder bisexuell / schwarz, weiß, gelb oder rothautfarbend, ...

Das wichtigste ist doch, dass jeder individuell so leben kann, wie es ihn selbst glücklich macht. Und das man gegenseitig auf sich acht gibt, nicht in Extreme abzuwandern. Extreme sind immer scheiße. Politisch, rassistisch, religonsfanatisch, essgestört oder sexuell ... Jeder muss für sich seinen Weg finden, Feedback bekommen, Anreize erleben und Grenzen erfahren. Ein Vegetarier wird ein angebotenes Steak probieren, wenn er sich dazu entschließt. Ein Atheist wird erleben wollen, wie es sein könnte, mit Glaube Rückhalt in sich selbst zu finden. Ein Hetero wird mit einem gleichgeschlechtlichen Menschen Erfahrungen machen, wenn es ihn überkommt und er sich drauf einlassen möchte. Ein Rassist wird seine Ansichten überdenken, wenn in seinem Verstand ankommt, dass jeder das Recht dazu hat anders zu sein als er selbst.
Die Basis von all dem ist Mitgefühl und Verständnis, und die Fähigkeit, dem anderen neidlos sein Glück zu gönnen.

Leider ist diese Einsichtsfähigkeit bei all den 6 Milliarden Menschen dieses Planeten nur rar gesät. Demnach kann auch kein Grüppchen von sich behaupten, einzig und allein dazu fähig zu sein.