Samstag, 14. Juni 2008

Der Gotteswahn

Heute Vormittag hat ein Mann bei mir geklingelt, der mit mir ein Gespräch über Antworten aus der Bibel führen oder mir ein Buch über Antworten aus der Bibel verkaufen wollte. So genau habe ich das nicht verstanden.

Ich habe ihn nicht reingelassen (und bei meinen Nachbarn scheint er auch abgeblitzt zu sein) sondern ihm meinerseits das Buch "Der Gotteswahn" des britischen Biologen Richard Dawkins empfohlen. (Das Timing könnte nicht besser sein, habe ich das Buch doch gestern zu Ende gelesen und wollte daher sowieso noch darüber bloggen. ;-))

Im Großen und Ganzen hat sich mein erster Eindruck bestätigt. Auch wenn ich die meisten Hauptargumente schon kannte (z.B. dass ein Gott als Schöpfer mehr Fragen aufwirft als er beantwortet - wer hat den Gott erschaffen?) ist es sehr erfrischend, die Argumentation noch einmal detailliert und mit vielen Zitaten bekannter Personen der Zeitgeschichte angereichert, zu lesen. Auch Russels Teekanne fand schon einmal Erwähnung in meinem Blog und das Buch zeigt ausführlich, was an dem von mir im selben Eintrag verlinkten Argument von der Entstehung eines Mercedes in der Garage falsch ist: Evolution ist ein additiver Prozess durch Selektion und eben kein reiner Zufall.

Das Buch streift am Rande auch einige sehr interessante Fragestellungen, die mit der Religion nicht direkt zu tun haben: Zum Beispiel, ob wir die Welt alle auf die gleiche Art und Weise wahrnehmen und warum viele Menschen ihre eigenen Denkprozesse als Dialog zwischen zwei virtuellen Personen erleben. Über beides habe ich auch schon nachgedacht, daher sollte ich mir möglicherweise mal eins der zitierten Bücher zulegen.

Natürlich ist kein Buch perfekt, so auch nicht "Der Gotteswahn". Mein Hauptkritikpunkt ist, dass der Text eine gewisse Redundanz enthält. Während Dawkins manche interessante Fragestellungen mit einem Verweis auf ein anderes Buch abtut, werden andere Argumente immer und immer wieder durchgekaut. Ich weiß nicht, ob in allen Fällen Absicht im Spiel ist, aber er sagt auch ganz klar, dass man manche Dinge nicht oft genug wiederholen kann. (Zum Beispiel dass es keine 'katholischen Kinder' sondern nur 'Kinder katholischer Eltern' (analog für jede andere Religion) geben kann.) Damit hat er zweifellos Recht, aber trotzdem nervt es irgendwann. (Genauso wie es mich nervt, dass Dokumentationen im Privatfernsehen immer häufiger kurz vor der Werbung einen langen Teaser über den weiteren Inhalt der Sendung bringen um die Leute bei der Stange zu halten und nach der Werbung alles bereits gezeigte noch einmal ausführlichst zusammenfassen. So senil bin ich noch nicht!)

Was meinen ersten Eindruck der Kompromisslosigkeit angeht, bin ich immer noch unschlüssig. Dawkins lässt keinen Zweifel an seinem Standpunkt und er argumentiert auch schlüssig, was ihn von einem religiösen Fanatiker unterscheidet.

Ich möchte hier noch mal meinen Ex-Religionslehrer zitieren, der sagte, der Mensch sei unheilbar religiös. Ich denke auch, dass der durchschnittliche Mensch die "Krücke Religion" braucht. Das mag arrogant klingen, aber ich nehme mich da gar nicht mal aus. Alltags-Atheismus ist keine große Kunst, aber wie sieht es in Zeiten wirklicher Not aus, wenn die Verzweiflung einen bestimmten Schwellwert (die persönliche Schmerzgrenze) überschreitet?

Dawkins hat ganz recht wenn er sagt, dass man aus "X tröstet mich" nicht "X ist wahr" ableiten kann. Aber darum geht es dem Trostsuchenden auch nicht. Er braucht Trost weil er - aus welchen Gründen auch immer - in eine mentale Schieflage geraten ist. Die Wahrheit/Existenz des Trostspenders zu hinterfragen wäre da nichts anderes, als Löcher in den Ast, auf dem man sitzt, zu bohren.

Ich denke daher, der Mensch wird für die Religion immer anfällig bleiben, denn irrationale Ängste sind Teil des Menschseins. Da kann der Verstand noch so überzeugende Theorien haben.

Das heißt jedoch nicht, dass wir unseren Ängsten schutzlos ausgeliefert sind. Der Schwellwert, ab dem ein Mensch vom rationalen in das irrationale Verhalten kippt, lässt sich durchaus beeinflussen.

Mein Vorschlag für eine bessere Welt lautet Aufklärung. Wenn man in einer Fußgängerzone wahllos Passanten fragen würde, ob sie die Evolutionstheorie erklären können, würde das Ergebnis sicherlich niederschmetternd sein. Wäre hier mehr Wissen vorhanden, würde es die Religion sicherlich schon deutlich schwerer haben, sich zu verbreiten.

Warum macht man also nicht mal eine Reihe von Werbespots, die die Evolution leichtverständlich erklären?

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