Sonntag, 31. August 2008

Re: Wo sind wir jetzt?

Dass ein Blog weit mehr als ein Tagebuch ist, sieht man vor allem daran, dass die Blogosphäre ein Kommunikationsnetz ist. So kann man nicht nur seine privaten Binsenweisheiten unters Volk bringen, sondern auch Einträge in anderen Blogs aufgreifen und darauf antworten... entweder über die Kommentarfunktion oder - so wie in diesem Fall - in einem eigenen Blogeintrag.

Impi schreibt in seinem aktuellen Posting zu meinem vorletzten Eintrag:
"[...] Ich möchte daher einfach mal auf den Blog von pcxHB verweisen, der zu dem guten Dutzend Blogs gehört, die ich gerne lese. Auch wenn ich nicht verhindern kann, dass es irgendwie abwertend klingen könnte, was ich nicht bezwecke, nicht einmal insgeheim denke, so finde ich, dass die Fragmente die er aus seinem Leben der Öffentlichkeit preisgibt, irgendwie Beispiel für die letzten beiden Absätze stehen könnte. Den trotz Job, Einkommen und einer noch immer geringen Anzahl an Lebensjahren scheint er nach wie vor die Spannung im Leben zu suchen. Und wenn es auch nur ein Nackt-Shooting mit irgendwelchen Typen ist, oder eine ziemlich nerdige Schnitzeljagd mit einem GPS-Empfänger. Huch, es klingt wirklich etwas gemein: Aber ich mein das eigentlich ganz nett. Das spannende an privaten Blogs ist doch, dass sie zumindest ein wenig wieder den Blick in ganz andere Fenster hinein ermöglichen, ein wenig die Augen öffnen für die völlig verschiedenen Lebenswirklichkeiten, in die wir uns so als Endzwanziger langsam hineindividieren. [...]" (Quelle)

Im Satz "Nackt-Shooting mit irgendwelchen Typen" stört mich das "mit irgendwelchen Typen", aber mit seiner Schlussfolgerung "scheint er nach wie vor die Spannung im Leben zu suchen" liegt er gar nicht so falsch und hat wieder mal bewiesen, dass wir zwei von den Gedanken gar nicht mal so weit auseinander liegen, auch wenn wir teilweise andere Schlüsse ziehen.

Der Grund, wieso ich seinem Blogeintrag bei mir einen eigenständigen Antwortpost widme und nicht nur die Antwortfunktion bemühe, ist, dass ich mich mit genau diesem Thema vor ziemlich genau einer Woche sehr intensiv auseinander gesetzt habe. Ursache war ein blöder Kommentar eines befreundeten Kamillenteetrinkers, der sich über einen Bekannten ereiferte, der seit seinem Eintritt in den Staatsdienst scheinbar zu fein für unsere wilden Partys geworden sei. Ob er damit Recht oder Unrecht hat, sei mal dahingestellt. Mein Missfallen erregte mehr die Tatsache, dass dieser Kommentar ausgerechnet von ihm kam. Wenn jemand kamillenteeschlürfend auf meinem Sofa sitzt, auf den Partys meistens als erster geht obwohl er noch deutlich jünger ist als ich, generell mehr heiße Luft als Taten produziert und dann auch noch solche Kommentare vom Stapel lässt, wirkt das schon ein wenig grotesk. (Der Satz klingt jetzt ziemlich gemein, ist aber eigentlich mehr wachrüttelnd gemeint!)

Es gibt Situationen, in denen komme ich mir mit meinen bald 30 Jahren ziemlich alt vor, in manchen anderen, und diese gehört dazu, denke ich aber, dass ich mich so schlecht nicht gehalten haben kann. Ich schätze am Team Extreme gerade das unberechenbare Element, das ich in den Unternehmungen mit anderen Freunden und Bekannten zum Teil schmerzlich vermisse.

Ich bezeichne das immer ganz nerd-typisch als 'asynchronous living':
Vielleicht war ich als Kind zu brav und habe noch zu viel nachzuholen, aber für Spießigkeit fühle ich mich noch zu jung. Ich möchte gelegentlich auch mal einen Lebensstil asynchron zum üblichen Trott pflegen und mitten in der Nacht zu einem Badesee fahren, auf Schaumparties gehen (aus meinem inneren Freundeskreis konnte ich bis heute niemandem dazu bewegen) und einfach mal etwas leicht verrücktes tun. Aus dem selben Grund habe ich normalerweise auch kein Problem damit, gelegentlich(!) mal eine Nacht durchzuarbeiten. Alles, was mit der üblichen Routine bricht, ist eine nette Abwechslung und verhindert, dass das Leben langweilig wird.

Das heißt nicht, dass ich nicht auch Stabilität und eine tragfähige Zukunftsplanung anstrebe, aber ein Zuviel an Stabilität bedeutet Stillstand. Die Mischung macht es und wenn schon junge Menschen kaum noch begeisterungsfähig sind, macht mich das traurig. (Dieser Satz ist jetzt allgemein zu verstehen und auf niemand bestimmtes bezogen.)

"Carpe, carpe diem, seize the day boys, make your lives extraordinary." (Dead Poets Society)

PS: Das Nackt-Shooting fand übrigens in der Halböffentlichkeit der Bremer Uni statt.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Routine zu durchbrechen ist aber auch kein Selbstzweck. Meiner Meinung nach ist es durchaus spießig sich seiner eigenen Spießigkeit bewusst zu sein und deshalb mal "was verrücktes" tun zu wollen.

Allerdings empfinde ich das Spießige an sich auch nicht als etwas schlimmes oder verurteilbares. Ich habe auch versucht, dass in meinem Blogeintrag so klar zu machen. Es ist die Entscheidung, das Streben nach Glück der Verhinderung von Unglück zu opfern. Und führt dabei oftmals zu einem hohen Maß an Zufriedenheit.

Wenn ich eine Ausbildung, einen vernünftigen Job oder zumindest etwas mehr Grips hätte, würde ich mich vermutlich ähnlich verhalten. Aufgrund der Sackgasse, in die ich mich so hineinnavigiert habe, kann ich das zur Zeit nur leider nicht. ;-)

pcxHB hat gesagt…

Das ist auch kein Selbstzweck sondern um mehr aus dem Leben zu machen. Das mache ich nicht, weil ich krampfhaft kein Spießer sein will, sondern weil ich Abwechslung brauche, sonst werde ich auf die Dauer depressiv. Monotonie tötet den Geist.

Es ist wichtig, sich im Leben ein stabiles Fundament aufzubauen, aber "das Streben nach Glück der Verhinderung von Unglück zu opfern" finde ich eine sehr defensive Haltung. Man sollte immer nach Glück streben, denn alles andere ist Selbstaufgabe. Außerdem ist Glück der beste Schutz gegen Unglück. ;-)

Wenn jemand sein Glück in Gartenzwergen im Vorgarten sieht (um mal das gängigste Klischee zu bemühen) ist das auch ok.

Beim "Kamillenteetrinker" ging es auch weniger darum, dass er Spießer ist. Was ich ihm vorwerfe ist, dass er über andere urteilt und dabei nicht merkt, wie spießig er selbst geworden ist.