Sonntag, 4. März 2007

too many secrets

Nachdem wir bereits das Vorspiel und manuelle postnatale Kommunikationsformen behandelt (sowie endlos erscheinende Runninggags über das Wetter an Wochenenden etabliert) haben, kommen wir nun zu einem dazwischenliegenden und eigentlich viel wichtigeren Ereignis: Der Geburt.

Am 01.03.2007 erblickte der erste Teil der Anti-Terrordatei das Licht der Welt, ein Ereignis, das ich bisher noch gar nicht gewürdigt habe. Auch wenn sich der internationale Terrorismus zunehmend zur Geißel der Menschheit entwickelt, sollte man sich doch stets vor Augen halten, dass es absolute Sicherheit nicht gibt und nie geben wird. Die aktuelle Terrorbekämpfungspolitik erinnert mich daher irgendwie an Klingeltonabos: Wenn man einmal damit angefangen hat, hören die Rechnungen nie wieder auf. Bei der Terrorabwehr zahlen wir nicht nur mit unseren Steuern sondern auch mit unserer Freiheit und den Bürgerrechten. Hier gilt es einen auf Dauer tragbaren Kompromiss zu finden, soll der Rechtsstaat nicht mehr und mehr ausgehöhlt werden. Das Problem an der Anti-Terrordatei ist, dass sie aus einem hochkomplexen Verbund vieler verschiedener Datenbanken besteht, die von vielen verschiedenen Behörden (Polizei, Zoll, Geheimdienste, ...) gepflegt werden. Wieso es dabei fast zwangsweise zu Komplikationen kommen muss, hat Detlef Grell im Editorial aus c't 2/2007 sehr zutreffend beschrieben. Dem habe ich eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

Während die Anti-Terrordatei weit weg und unnahbar wirkt, bereitet mir im Moment noch eine andere Entwicklung Bauchschmerzen. Oder sollte ich treffenderweise sagen: Fingerschmerzen?

Die Rede ist von den biometrischen Personalausweisen und Reisepässen, die langsam aber sicher auf uns zurollen. Dies hat zumindest zwei Konsequenzen: Die Pässe werden immer teurer (ob sie direkt oder indirekt bezahlt werden spielt dabei keine große Rolle) und der Aufwand zum Erstellen der Bilder wird immer größer.

Der Sicherheitsgewinn, den wir dafür erhalten, ist dagegen zumindest fragwürdig: Der Chaos Computer Club hat wiederholt demonstriert, wie sich Fingerabdruckleser mit einfachsten Mitteln täuschen lassen und in Rom haben Bankräuber ein biometrisches System auf die harte Tour ausgetrickst: Sie haben den passenden Finger einfach mitgebracht. Passwörter kann man ändern, Fingerabdrücke nicht. Wenn das Fingerabdruckmuster einmal in die falschen Hände geraten ist, lassen sich damit immer bessere Fingerreplikate herstellen. (Hoffe ich zumindest. Mein Finger schmerzt wieder.)

Dass es auch anders geht beweist Kanada: Dort wurden die im Zuge des 11. Septembers 2001 erlassenen Anti-Terror-Gesetze wieder abgeschafft. Ein Lichtblick.

Zuviel Datenschutz ist allerdings auch nicht gut, denn er kann menschliche Kommunikation und Kultur auch völlig blockieren. Die Nachricht, dass ich einen Blog besitze, sollte hier niemanden verwundern (andernfalls empfiehlt sich möglicherweise eine Vorsorgeuntersuchung), ebenso sollte spätestens seit meinem Resümee zur Mondfinsternis allgemein bekannt sein, dass ich ein Web-Fotoalbum pflege.

Vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit einem Familienmitglied (ungleich Eltern), das nicht so recht nachvollziehen konnte, wieso ich bzw. überhaupt jemand seine selbstgemachten Fotos im Internet veröffentlichen sollte. Es ging dabei nicht um private Fotos von irgendwelchen Familienfeiern sondern ganz allgemein um Fotos, also z.B. auch Bilder von einer Mondfinsternis. Meine Antwort darauf begann mit einem simplen "Warum denn nicht?".

Datenschutz ist sehr wichtig und jeder, ganz besonders Kinder und Jugendliche, sollte sich genau überlegen, was er oder sie im Internet von sich preisgibt. Wie bei allem im Leben ist man jedoch auch beim Datenschutz gut beraten, bei allen Entscheidungen auch den gesunden Menschenverstand nicht außen vor zu lassen und nicht in eine blinde Hysterie des Blockieren jeglichen Informationsaustausches zu geraten. Ich bin ein großer Verfechter freier und quelloffener Software, daher sehe ich keinen Grund, wieso das "Prinzip-Linux" nicht auch in anderen Dingen des Lebens funktionieren sollte. Anders ausgedrückt: Wenn ich Fotos besitze, die ich ohnehin nicht verkaufen kann/möchte und die andernfalls ungesehen auf meiner Festplatte rumliegen würden, kann ich sie auch dem menschlichen Kulturerbe hinzufügen und sie im Internet frei und für jedermann verfügbar machen. Mir entstehen dadurch keine Nachteile, einem anderen Menschen helfen sie aber möglicherweise entscheidend weiter?

Das veröffentlichen im Internet bedeutet nicht, dass man die Rechte an den eigenen Fotos aufgeben muss. Was andere Menschen mit den Bildern tun dürfen liegt einzig und allein im Ermessen des Urhebers. Die Fotos in meinem Fotoalbum unterliegen derzeit auch meinem uneingeschränkten Copyright, d.h. ohne meine explizite Einwilligung darf sie niemand kopieren, abspeichern oder für irgendwas benutzen. Das dies so ist liegt vor allem in meiner bisherigen Faulheit begründet. Wenn ich die Zeit und Lust dazu finde, werde ich alle Bilder noch einmal Bild für Bild durchgehen und alle, bei denen keine wichtigen Gründe dagegen sprechen, unter eine Creative Commons-Lizenz stellen.

Mit CC-Lizenzen kann man den Besuchern seines Webalbums gezielt bestimmte Rechte einräumen, deren Tragweite sich beliebig definieren lässt. Es gibt zudem eine Vielzahl fertiger CC-Standardlizenzen, die dies erleichtern und gleich ein passendes Logo zur Markierung der eigenen Werke anbieten.

Aber zurück zur Datenknauserigkeit:
Auch hierzu möchte ich mal wieder auf einen Beitrag meiner "Muse" Polylux über die "blauen Seiten" eingehen. Ich muss allerdings ehrlich sagen, dass ich zu dem Beitrag bisher noch keine eindeutige Meinung entwickelt habe. Einerseits enthält der Beitrag viel wahres, andererseits höre ich aus dem Beitrag einen Unterton heraus, der mir nicht so recht gefallen mag. Der Aspekt, dass Chatplattformen -wie auch Online-Multiplayerspiele- ein gewisses Risiko der Abschottung und Einigelung bergen, ist sicherlich richtig und schon seit längerem bekannt. Ich sehe allerdings kein Problem darin, wenn jemand auf einer -gegen den Zugriff durch Minderjährige geschützten Plattform- Angaben macht, ob jemand blonde, schwarze oder grüne Haare, Piercings oder Tattoos besitzt und für den Neckermann-Award trainiert. Ja warum denn nicht? Immerhin leben wir in einer (mehr oder weniger) modernen aufgeklärten Gesellschaft.

Solange niemand gezwungen wird, unfreiwillige Angaben über sich machen zu müssen ist das aus meiner Sicht in Ordnung. Andererseits beruht das menschliche Zusammenleben auf Kommunikation und Kommunikation ist ein Synonym für Datenaustausch. Wer nicht einmal bereit ist, sich nach den gängigen Regeln der Höflichkeit seinem Chatpartner mit seinem Vornamen vorzustellen, muss sich meiner Ansicht nach auch den Vorwurf einer gewissen Oberflächlichkeit bzw. die Frage gefallen lassen, ob er nicht auf der falschen Website gelandet ist. Auch diesmal bringt ein Editorial der c't die Sache wieder auf den Punkt. (Langsam wird die Sache schon unheimlich, denn ich habe mich keineswegs an der c't entlang gehangelt sondern die Artikel alle erst hinterher zusammengesucht.)

Also lasst uns das Leben im Cyberspace genießen solange es noch geht... auch hier ist der Terror nicht mehr fern!

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